Bescheidene Inkontinenzversorgung: Bessere Qualität zu niedrigeren Preisen / Apotheken protestieren / Inkontinenzpatienten haben keine Lobby

Herxheim, im Juni 2016 – Erneut bringt eine Krankenkasse Apotheker auf die Palme: Die Pauschalen für die Versorgung der Versicherten mit Inkontinenzhilfen wurden von der Knappschaft gekürzt. Apotheken, die den neuen Verträgen zustimmen, tragen damit die Kosten, wenn eine qualitative Versorgung weiterhin gewährleistet werden soll. Wenn Versicherte nicht ordentlich versorgt werden, muss die Politik einschreiten, fordert die Freie Apothekerschaft. Inkontinenzpatienten haben keine Lobby.

Alte Apotheke

Mehr Qualität zu niedrigeren Preisen. Geht das? „Natürlich nicht“, ist Dr. Helma Gröschel, 1. Vorsitzende der Freien Apothekerschaft erbost. Gegenüber den Versicherten hebt die Knappschaft verbesserte Standards und wirtschaftliche Verträge hervor, unter denen in der Regel keine Mehrkosten für die Versicherten anfallen dürften. Gleichzeitig kürzt die Kasse die Monatspauschale für die Versorgung ihrer Versicherten mit Inkontinenzhilfen um fast 30 Prozent. „Eine angemessene Versorgung ist zu diesem Preis nicht zu gewährleisten“, bringt es Gröschel auf den Punkt. „Produkte ohne Kunden-Zuzahlung anbieten zu müssen, heißt, eine schlechtere Qualität liefern zu müssen. Vorlagen und Pants sind öfter zu wechseln, der Verbrauch steigt, der Patient hat noch mehr zu zahlen, die Krankenkasse ist fein raus. Damit tragen wieder einmal entweder die Leistungserbringer oder der Patient die Kosten.“

Inkontinenzpatienten haben keine Lobby – Versorgung verschlechtert

Nach Angaben des Artikels „Knappschaft: Alles andere ist Luxus“, vom 27. Mai 2016 auf www.apotheke-adhoc.de habe „eine Sprecherin der Knappschaft im März erklärt, dass einige Apotheken mit den bisherigen Zahlungen dazu in der Lage gewesen seien, eine bessere Inkontinenzversorgung zu leisten, als „gesetzlich vorgeschrieben oder medizinisch notwendig ist”. Daher habe die Knappschaft die Pauschale reduziert.“ Pauschalen beinhalten, dass Patienten mit geringerem Bedarf diejenigen bezuschussen, die  mehr benötigen. So kommt es zwangsläufig dazu, dass einige mehr erhalten als die Pauschale ausmacht. „Dies als Argument zu nehmen für eine bessere Versorgung als notwendig, ist schon dreist“, findet Gröschel. Es mutet an, dass die Inkontinenzversorgung deutschlandweit auf maximal zwei Lieferanten konzentriert werden soll, damit sich die Krankenkasse noch mehr finanzielle Vorteile einverleiben kann. Dafür spricht auch, dass weitere Krankenkassen ab 1. Juli hier nachziehen wollen. Den meist älteren Patienten fehlt dann ein direkter Ansprechpartner, es wird alles anonymer. „Der Knappschaft geht es nicht um den Versicherten, sondern lediglich um die Verringerung von Zahlungen“, vermutet Gröschel. Einige Apothekerverbände haben den neuen Vertrag nicht unterzeichnet, Mitgliedsapotheken verlieren Kunden. Diese sind nun auf sich gestellt, herauszufinden, wo sie ihre Inkontinenzprodukte mit der Servicequalität der Apotheken erhalten. Im ländlichen Bereich wird es für die Kranken schwieriger, denn Inkontinenzpatienten haben keine Lobby.

„Wenn Verträge dazu führen, dass Versicherte nicht ordentlich versorgt werden können, dann hat die Selbstverwaltung versagt und die Politik muss handeln,“ fordert Gröschel.

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In der „Freien Apothekerschaft“, gegründet 2010, haben sich Apothekerinnen und Apotheker zusammengeschlossen, um die Interessen des Berufsstandes zu vertreten und ihre Situation, politisch wie wirtschaftlich, zu verbessern.